Verhaltensaenderungen der Feldheuschrecke Stenobothrus lineatus (Panz.)
nach Pilzinfektion mit Entomophaga grylli (Fres.) Batko
Klaus Riede & Gerhard Engler
Albert-Ludwigs-Universitaet Freiburg, Institut fuer Biologie I (Zoologie), Albertstr. 21a, W-7800 Freiburg, F.R.G.
Eine der auffaelligsten Verhaltensreaktionen von Insekten nach
Infektion mit entomophagen Pilzen oder Parasiten ist das
"Wipfeln", das Erklimmen von Pflanzen und Festkrallen oder
Festbeissen an deren Spitze (Loos-Franck & Zimmermann, 1976). Da
ueber die hierfuer notwendinge tiefgreifende Aenderung des
Orientierungsverhaltens jedoch kaum etwas bekannt ist, wurden
Verhaltensbeobachtungen und -experimente an infizierten
Heuschrecken auf Hochgebirgswiesen der Pyrenaeen (Col de Portalet,
2100 m. . M., Spanien) durchgefuehrt.
Infizierte Tiere zeigen neben der Tendenz, Halme zu erklimmen,
eine Verringerung der Fluchtdistanz auf optische Reize und
Fortfall des Kot-Wegschleuderns; Maennchen zeigen eine Reduktion
der spontanen Gesangsaktivitaet und Wegfall des komplexen
Werbegesangs. Anhand dieser Kriterien war es moeglich, infizierte
Tiere fuer Orientierungsexperimente mit Halmattrappen in einer
Freilandarena auszuw„hlen. Die Attrappen waren optisch unattraktiv
und wurden erst nach taktiler Reizung durch zufaellige Beruehrung
erklommen. Halmbewegungen oder Bewegungen der optischen Umwelt
durch Reizung mit einem Streifenzylinder loesten Greifbewegungen
der Hinterbeine und mitunter Verlassen des Halms aus.
Die Auswahl von Halmen im natuerlichen Biotop des Festuca-ischia-
Rasens erfolgte durch "Versuch und Irrtum", wobei mechanische
Stabilitaet entscheidend fuer das endgueltige Verweilen der Tiere am
Halm waren. Eine Ausmessung der Hoehe ueber Grund verendeter Tiere
zeigte, daá mittlere Halmhoehen bevorzugt wurden (Mittelwert 9,5
cm, Abb. 1a) und die Tiere nicht bis an das Halmende aufsteigen.
Auáerdem wurden oft mehrere Halme durch aktive Greifbewegungen der
Hinterbeine zu einer mechanisch stabilen Konstruktion
zusammengefaát (siehe Skizze), wobei ein Maximum bei 2 Halmen zu
beobachten ist Abb 1b).
Da die beschriebenen Verhaltensaenderungen bei Erhoehung der
Temperatur und insbesondere Sonneneinstrahlung reversibel sind,
ist zu vermuten, daá diese nicht durch Laesionen, sondern chemisch
durch vom Pilz abgegebene Toxine ausgeloest werden (Yendol et al.,
1968).
Beim Einsatz entomophager Pilze zur Heuschreckenbek„mpfung sollte
bercksichtigt werden, daá bereits sublethale Dosen durch die
ausgel”sten Verhaltens„nderungen Heuschreckenpopulationen stark
sch„digen k”nnen.
Literatur: Loos-Frank, B; Zimmermann, G (1976) šber eine dem
Dicrocoelium-Befall analoge Verhaltens„nderung
bei Ameisen der Gattung Formica durch einen Pilz der
Gattung Entomophtora. Z. Parasitenk. 49, 281-289.
Yendol, WG; Paschke JD (1965) Pathology of an
Entomophtora infection in the eastern subterranean
termite Reticulitermes flavipes (Kollar). J. Invert.
Path. 7, 414-422.